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Die Idee war, dass der erste schöne Frühlingssamstag genutzt wird für eine Littering-Aktion im Rosenbergquartier. An der Quartierversammlung im tiefen Winter, als der Termin noch fern und die Temperaturen garstig waren, hat man dies beschlossen. Fünfzehn Häuser waren dafür, drei dagegen. Es könne unmöglich ihr Güsel sein, der auf öffentlichem Grund zwischen Sträuchern und Niemandsland zu finden sei. Also seien sie von der Aktion entbunden, so die Begründung von Bächlis, Baumgartners und Mosers. Aha, die Versammlung beschloss trotzdem, die Aktion am Samstag vor Ostern durchzuführen.  

 

Pünktlich ‪um 9 Uhr stand mit zwölf anderen Familien auch die Familie Huber-Achermann mit Moritz, Eva und der kleinen Rosa bereit. Die Stiefel reichten Rosa bis über die Knie und das Lachen bis hinter die Ohren. Auch der pubertierende Moritz stand mit mürrischen Gesicht dabei. Die Diskussion dauerte beinahe eine Woche, bis auch er die Notwendigkeit eingesehen und keine Ausreden mehr hatte.  

 

Am Ostersamstagmorgen strahlte die Sonne. Die Familien Heidegger, Kuhn und Oberholzer liessen sich kurzfristig wegen Unpässlichkeiten entschuldigen, was wenig Freude auslöste, aber ziemlich genau den Gemeinschaftsgedanken in der Nachbarschaft widerspiegelte. 

 

Man beschloss, den ganzen Güsel an einem Ort zusammenzutragen, um den Erfolg, respektive die Unordnung sichtbar zu machen. Innert zwei Stunden wuchs der Haufen: Zigarettenpackungen, Prospekte, Dosen, leere Pet-Flaschen, Schokoladenpapier, ein alter Turnschuh und vieles mehr wurde zusammengetragen und wie auf einem Flohmarkt präsentiert. Moritz wurde immer stiller, als er auf dem Haufen Kaugummi-Papierchen «seiner» Marke erkannte. Und immer wieder wurden aus dem angrenzenden Bachtobel neue Funde herangetragen. Batterien, das Plastikkesseli, das die kleine Eva schon lange vermisste, ein Kamm, ein halbfertiger Lippenstift, ein zerquetschter Handschuh, Christbaumkugeln, Papierfötzeli und als Krönung sogar das Rad eines Dreiradvelos. Und sogar ein Unterteller mit Goldrand dekorierte die Sammlung. Von wo kommt dann so ein Teller her? 

 

Gegen Mittag, die Akteure wurden mittlerweilen lustlos und die Aktion war kurz vor dem Ende, stiefelte Eva daher: «Papi, luege was ich gfunde han!» und streckte eine leere Flasche «Chateau de Pommard Cuve Reservée 2008» entgegen. Hoppla. Wie hat sich diese edle Flasche ins Tobel verirrt? Diente sie einem heimlichen Treffen an lauschigem Ort oder wurde sie einfach bequem entsorgt? Wie eine Königin wurde sie inmitten des gesammelten Mülls gestellt. 

 

Es war schon nach Mittag, als der Müll in 130-l-Säcke verstaut war, die letzten Sandwiches gegessen und die Gruppe sich auflöste. Auch Thomas schleppte einen Sack zur Entsorgung nach Hause, als er an Bächlis Haus vorbeikam. Logisch lassen sich die nicht zeigen, dachte er. Alles still, rund ums Haus piekfeine Ordnung, kein Grashalm war am falschen Ort. Sogar ein tadellos zusammenkomponierter Kartonbündel für die Abfuhr am Montag lag bereits vor dem Garagentor. Plötzlich war Thomas hellwach und staunte nicht schlecht. Zuoberst lag, fein säuberlich zusammengefaltet, ein 6-Flaschen-Verkaufskarton «Château de Pommard Cuve Reservée 2008». 

Ordnung muss sein

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