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DIGITALGESCHICHTEN

Das Leben war auch schon einfacher, obwohl wir immer mehr von intelligenten Geräten und Services umgeben sind. Wir fahren Autos, die den Abstand zum Vordermann automatisch regulieren und lassen uns vom GPS auf dem kürzestem Weg zum Ziel dirigieren. Oder wir spielen Solitaire gegen den Computer. Unsere Einkäufe lassen wir direkt vom Bankkonto abbuchen. Und für Termine, Kontakte, Geburtstage, Telefonnummer und Namen fragen wir einfach unser Handy. Klar, für unser Hirn wird das Leben einfacher, weil wir es durch fremde Intelligenzen entlasten. Diese rechnen, übersetzen, archivieren, suchen, bewerten und lösen unsere Probleme superschnell und fehlerfrei, selbst nachts um drei Uhr. Alles easy, alles einfach. Also wo ist das Problem?

 

Zwischen Menschen wird das Leben komplizierter! Mit Siri und anderen Sprachautomaten reden wir bereits wie mit Menschen und mit unseren Freunden, Bekannten und Nachbarn reden wir per Whatsapp! WhatsApp? Da hat uns Mark Zuckerberg in ein wahres Dilemma manöveriert. Alles sofort, alles online, immer mittendrin! Das Leben sollte einfacher werden. Wurde es aber nicht. Wir schreiben uns die Finger wund! 

 

Es gab ein Zeitalter, da genügte für ein Date oder eine Einladung ein kurzer Telefonanruf. Mit einem Gespräch waren Ort und Zeitpunkt geregelt. Und heute? Wir greifen zum Handy. Whatsapp soll das für uns erledigen. Auch schnell, aber unpersönlich und hinter Buchstaben versteckt. Eine direkte Abfuhr wollen wir uns unserem Gefühlsleben nicht antun. 

 

Fischlis haben beschlossen, ihre Nachbarn Huber zum Nachtessen einzuladen. Also greift Frank Fischli zum Handy und eröffnet den Chat:

Fischli (schreibt): «Lust auf lustigen Abend?» 

Drei Stunden später: Bling!

Huber: «Essen und Tratschen? Immer dabei!»

Fischli: «Wunderbar, Sa bei uns!»

Am nächsten Tag: Bling!

Huber: «Wir glauben, wir sind an der Reihe...»

Fischli: «Oh, ist ja egal wo, Hauptsache es ist!»

Am übernächsten Tag: Bling! 

Huber: «Maya möchte ein Tiramisu kreieren!»

Fischli: «Kann sie ja nächstes Mal!»

Am überübernächsten Tag: Bling.

Huber: «Malheur...Passt auch eine Woche später?»

Fischli: «Kein Beinbruch, geht auch!»

Zwei Tage vor dem Termin: Bling

Fischli: «Hundesitter streikt, also bei uns?.»

Huber: «mmmh, ach so, verstehe.» ...

 

Nach mehrtägigem Hin und Her haben es die beiden geschafft, meinten sie. Am vereinbarten Samstagabend warteten vor festlich geschmückten Tischen Fischli auf Huber und Huber auf Fischli... Dumm gelaufen. Soviel zum einfachen Leben. 

 

Und so schwirren tagtäglich Milliarden von Whatsapp-Nachrichten um die Welt und beanspruchen unsere Lebenszeit! Eigentlich müsste man sich freuen, dass wieder geschrieben wird! Aber oje. Auf dem Smartphone herrscht Rechtschreibe-Anarchie. Wortfetzen, Kauderwelsch und vollständige Grammatikfreiheit beherrschen die Chats. Und wenn der Wortschatz fehlt, greift man zu Smilies.

 

Oh, ich muss abklemmen, mein iPhone meldet sich schon wieder. Es haben sich bereits 24 Whatsapp-Nachrichten angesammelt... Ach ja, heute ist mein x-ter Geburtstag! Auch meine Tochter gratuliert mir:

«Grats 62iiiiii... Hdmfg XD Co»

Bling Bling

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