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Martha

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Jetzt ist die Reihe an Martha. Langsam und bedächtig beginnt sie, ihre Einkäufe auf das Förderband zu legen. Jeden Artikel betrachtet sie, als müsste sie ihre Kaufentscheide nochmals überlegen. Bei den Kambly-Guetzli zögert sie. Ja? Nein? Das ganze Leben, und das sind doch einige Jahre, musste sie sich einen Ruck geben, um unnötige Einkäufe zu tätigen. Ihre spartanische Lebensweise liess keinen Raum für Genüsse und Bequemlichkeiten zu. Sie ist es sich nicht anders gewohnt, als sparsam umzugehen, sei es mit Lebensmitteln, Kleidern oder Ferien. Die Kassierin streckt die rechte Hand hin. «32 Franken 40, bitte.» Martha muss ihr Portemonnaie zuerst suchen. Meistens versteckt sie es im linken Innenfach ihrer abgenutzten Handtasche, jenes mit dem Reissverschluss. So kann es dir am wenigsten geklaut werden, hat ihre Tochter Rosa ihr eingebläut. Doch es ist nicht dort. Sie stutzt. Manchmal legt sie es auch einfach ins grosse Mittelfach, wenn sie gestresst wird und pressieren muss.

 

Dort muss es doch sein, denkt sie und legt den Schirm, die '20Minuten' und den Plastiksack auf das Förderband. So wird der Einblick in die Tasche besser. Und tatsächlich dort ist es. Sie ist unheimlich erleichtert. Schnell ergreift sie das Portemonnaie, das in den letzten fünfzehn Jahren zu ihrem bestbehüteten Gegenstand geworden ist. Sie kann sich noch bestens erinnern, als sie es zum sechzigsten Geburtstag von ihrem Grosskind Lena erhalten hat. Und jetzt hat sie sich so daran gewöhnt, dass sie es gegen nichts mehr tauschen würde. «32 Franken 40, bitte», wiederholt die Kassiererin. Die Zwanziger-Note ist schnell bereit. Dann klaubt sie Münze um Münze mit Zeigefinger und Daumen aus dem Fach. 30 Franken liegen bereit.

 

Der junge Meier hinter ihr verdreht die Augen. Mein Gott, denkt er, kann sich die alte Dame nicht besser vorbereiten, Zeit hatte sie ja genügend! Bei 31 Franken 20 Rappen hört ihr Münz auf. Kein Rappen bleibt übrig. Ein Franken und 20 Rappen fehlen. Sie schüttelt den Kopf und meint nur: «Reicht nicht!». «Nein, reicht nicht!» bestätigt die Kassierin. «Wollen Sie etwas zurücklegen? Die Kambly-Guetzli? Das würde 3 Franken und 20 Rappen ausmachen!». Martha überlegt. Es sind genau die Guetzli, die ihr Budget übersteigen. Sie schüttelt den Kopf, nein. Langsam wischt sie das Münz in das Portemonnaie zurück, steckt die 20 Franken-Note wieder ins Fach und reicht der Verkäuferin ihre Master Card Gold.

MARKUS R-U-F
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