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Oft entscheidet sich am Tag, was die Nacht mit sich bringt. Bei der Familie von Seraina und Thomas Huber-Achermann war es jedenfalls so, dass sich das bunte Kindertreiben vom Tag nahtlos in die Nacht fortsetzte. Moritz foppte seine jüngere Schwester, Rosa revanchierte sich mit blanker Zunge, Moritz klaute ihr das Kissen, Rosa seinen Gameboy und die kleine Eva nebenan schrie, weil ihre Gute-Nacht-Zermonie im Trubel unterging. Die Nerven von Seraina lagen blank und Thomas verkroch sich ins Büro. Nachtruhe und Harmonie ade.

 

Neue Perspektiven brachte ein grosszügiger Geschenkgutschein eines grossen Selbstmontage-Möbelhauses. Serainas Eltern hatten diesen im Wissen um das nächtliche Treiben bei Huber-Achermann in der   Stillen Nacht unter den Christbaum gelegt. Dieser und Serainas Neujahrsvorsatz vom Neueinrichten des Kinderzimmers schufen genügend Anreiz, dass bald darauf die ganze Familie in dieses grosse Möbelhaus fuhren, um eine neue Einrichtung für Evas und Rosas Zimmer aus den hohen Regalen auf kleine Handwagen zu laden.

Diese Einkaufstour kam nicht ganz zufällig. Vorausgegangen waren die Überlegungen von Seraina, die eine grosse Zimmerrochade im Haus plante. Die Bedürfnisse hätten sich geändert, fand sie. Als sie ihrem Mann Thomas von ihren Plänen vorschwärmte, war der alles andere als begeistert. «Ich, Büro und Dachstock? Oh nein!», das war nicht nach seinem Gusto. «Doch, doch, Moritz braucht als Zweitklässler jetzt ein eigenes Zimmer und zwar auf diesem Stock.» Seraina lässt nicht locker. Denn Moritz alleine im Dachstock, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Zudem sei das Kinderbettchen mit Eva im Elternzimmer auch keine Lösung. Thomas blickte interesseriert auf. Als sie ihm von störungsfreien Nächten vorschwärmte, mit den Händen ein Herz in die Luft malte und ihn mit strahlenden Augen anschaute, konnte Thomas nicht mehr anders, als mit einem herzhaften Kuss zuzustimmen. Das war es genau, was ihnen nur gut tun konnte. Bis anhin war die Mittelzone im Ehebett regelmässig besetzt.

Wenig später zügelte Thomas sein Büro in den Dachstock, Moritz wechselte in das ehemalige Büro von Thomas und die kleine Eva vom Elternzimmer zu Rosa. Dort soll ein typisches Mädchenzimmer eingerichtet werden. So ein bisschen nach Prinzessinnen-Art wie es Seraina für sich auch immer gewünscht hatte. Schöne weisse Betten mit lieblicher Bettwäsche, jeder Menge Kissen, flauschigen Kuscheltieren, passenden Bildern, verträumten Vorhängen und Stofflampen mit sanftem Licht. Im Kopf war alles eingerichtet, doch die Umsetzung fehlte noch.

Es wurde der anstrengendste und längste Tag im Leben der Familie Huber-Achermann. Der Familien-Van war bis auf den letzten Zentimeter ausgefüllt, als Thomas zu Hause vorfuhr. Seraina hat mit Moritz und Rosa zu Gunsten von drei ungeplanten Möbelstücken die Rückreise mit Bahn und Bus gemacht. Doch die grösste Herausforderung stand Thomas bevor: Die Montage. Dagegen waren die Malerarbeiten ein Kinderspiel, stöhnte er innerlich, als er Evas Bett zusammenschraubte. Plötzlich bereute er die voreilige Absage an seinen Schwiegervater, der ihm generös seine Hilfe anbot. Doch langsam nahmen Bett und Schrank seine Formen an und Rosa hüpfte von einem Bein aufs andere und freute sich über jede Schraube, die im Bettgestell verschwunden war. 

Der Uhrzeiger zeigte auf Überzeit. Thomas schnaufte auf. Geschafft. Sogar die Vorhänge und Lampe waren montiert und verströmten eine liebliche Atmosphäre. Alles bereit für die erste Nacht in neuer Umgebung. Rosa kuschelte sich in ihrem neuen Bett und in flauschiger Bettwäsche zurecht. Nur die kleine Eva war nicht zu finden. Die Spielsachen in der Stube lagen herum, keine Eva. «Eva, keine Versteckspiele heute, dein neues Bett ist bereit...» ruft Seraina quer durch das Haus. Keine Antwort. Stille. Auch in der Lieblingsecke beim Esstisch keine Spur von Eva. Es war Thomas, der sie mit Stirnrunzeln fand. Friedlich lag sie mit Bär und Nuschi mitten im Ehebett und liess sich durch nichts weglocken….

Schlaf Kindlein schlaf

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